Band des Monats #7 – Orphaned Land

Orphaned Land

Im Oktober habe ich drei grundverschiedene Konzerte besucht. Anfang des Monats war ich bei den Ulknudeln von J.B.O., die im Rahmen ihrer „Explizite Lyrik“-Tour in Wuppertal halt machten, Mitte Oktober war ich beim denkwürdigen Konzert von Orphaned Land, die auf ihrer ersten großen Akustik-Tour in der Christuskirche Bochum auftraten und zum Ende des Monats stand schließlich noch die Doppelheadliner-Show von Eluveitie und Epica in der Turbinenhalle in Oberhausen an.

Die Wahl zur Band des Monats fiel mir, da alle drei Konzertabende wirklich durchweg grandios waren und restlos überzeugen konnten, wieder einmal sehr schwer. Schlussendlich habe ich mich aber für Orphaned Land entschieden, da die Ideale, die die israelischen Musiker um den sympathischen Frontmann Kobi Farhi vertreten, an dieser Stelle besonders gewürdigt werden sollen müssen.

Orphaned Land - Uri Zelcha

Orphaned Land ist eine fünfköpfige Band aus Bat-Yam in Israel, die 1991 zunächst unter dem Namen Resurrection gegründet wurde. Ein Jahr später erfolgte die Umbenennung in Orphaned Land. Die aktuelle Besetzung besteht aus Kobi Farhi (Gesang), Uri Zelcha (Bass, Foto rechts), Chen Balbus (Gitarre) und Matan Shmuely (Schlagzeug). Für Live-Auftritte greift die Band außerdem gelegentlich auf Gastmusiker (wie z.B. den Stimmgewalt-Chor) sowie Bauchtänzerinnen zurück.

Der Bandname Orphaned Land (übersetzt: verwaistes Land) kann bereits als Anspielung auf Israel, das „Land aller Waisen“ (man könnte auch vom Land aller Nachfahren Abrahams sprechen) bzw. auf Jerusalem, die Heilige Stadt, mit der alle drei monotheistischen Religionen Wichtiges verbinden, verstanden werden. Die Bandmitglieder sind allesamt jüdischer Abstammung[1], als gläubig – jedoch nicht im herkömmlichen Sinne religiös – sieht sich allerdings nur Sänger Kobi Farhi.[2] Die übrigen Bandmitglieder bezeichnen sich als agnostisch[3] oder atheistisch.[4]

Musikalisch klingen Orphaned Land, die als Begründer des sog. Middle Eastern Metal gelten, sehr vielseitig. Auf den fünf bisher veröffentlichten Alben verbinden die Musiker ihren Folk, Heavy und Death Metal mit lokalen nahöstlichen sowie orientalischen Klängen – etwa in Form eines regelmäßig eingesetzten arabischen Chors sowie diverser exotischer Instrumente. In den überwiegend englischen Texten finden sich immer wieder hebräische, aramäische, arabische, türkische oder lateinische Passagen.

Wer die Musik von Orphaned Land noch nicht kennt, dem rate ich, dies schnellstens nachholen, denn nicht nur die pure Anzahl der gesungenen Sprachen ist bemerkenswert, sondern es sind in erster Linie die Lyrics, die Orphaned Land für mich so besonders auszeichnen. In Liedern wie All Is One, Brother, Simple Man und vielen anderen nimmt die Band deutlich Stellung zum Nahostkonflikt, zeichnet dabei ein hoffnungsvolles Konzept für den Nahen Osten und setzt sich somit aktiv für den Frieden in der konfliktträchtigen Region um Israel – und schlussendlich der ganzen Welt – ein.

Die Band betont in Interviews immer wieder, dass sie sich weder als religiöse noch als politische Band ansieht. Die Bandmitglieder wollen keineswegs Menschen zu einem bestimmten Glauben bekehren und sehen sich auch nicht als Propheten, Verkünder o.ä. an[5], vielmehr stellen sie mit ihren Liedern ihre Sicht auf Israel bzw. den Nahen Osten dar. Ihr Standpunkt ist, dass der Nahostkonflikt primär auf jahrtausendealte (religiöse) Missverständnisse zwischen Anhängern verschiedener Glaubensgemeinschaften sowie auf gezielten Machtmissbrauch durch religiöse Institutionen zurückgeht.[6] Stattdessen sollten sich eigentlich alle Menschen – völlig unerheblich ob sie Juden, Christen oder Muslime sind – als Brüder ansehen, da sie als elementare Gemeinsamkeit die Abstammung von Abraham teilen. „Warum verstehen wir nicht, dass Alles Eins ist“, beklagt sich die Band immer wieder.

Manch einer mag das hoffnungsvolle Konzept von Orphaned Land vielleicht für utopisch halten, doch die Band beweist quasi unentwegt, dass ihre Bemühungen Früchte tragen. Orphaned Land schaffen es, Hörer und Fans der Musik sowohl auf Konzerten als auch darüber hinaus durch ihre Musik zusammenzubringen und geopolitische, kulturelle und religiöse Grenzen zu überwinden. Damit erreicht die Band mehr als die meisten politische Vorhaben. Gerade in solch turbulenten von Hass, Gewalt und Terror geprägten Zeiten, leistet die Band wichtige Arbeit für mehr Toleranz und Frieden – sowohl innerhalb der manchmal doch etwas engstirnigen Metalszene als auch darüber hinaus.

Übrigens: Wer es versäumt hat die jüngste Akustiktour von Orphaned Land zu besuchen, der hat im Rahmen der Christmas Tour noch einmal die Gelegenheit, die Band zu sehen. Am 22.12.2015 spielt die Band im Turock in Essen, einen Tag später, am 23.12.2015, in der Kulturfabrik Krefeld. Weitere Tourdates können dem Flyer entnommen werden:

Orphaned Land Christmas Tour

Mehr Informationen zu Orphaned Land erhaltet Ihr auf der offiziellen Homepage, Facebook, Twitter sowie Youtube.

Hier findet ihr alle weiteren Beiträge zur Band des Monats.


[1] Vgl. Ultimatemetal.com: „Ask The Band Thread“.
[2] Vgl. Metalunderground.com: „Interview mit Orphaned Land“.
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. Ultimatemetal.com: „Ask The Band Thread“.
[5] Vgl. Metalisrael.com: „Interview mit Orphaned Land“.
[6] Vgl. Rocketqueen-Susi.de: „Interview mit Orphaned Land“.

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