Die vierte Auflage des “umsonst und draußen”-Festivals Nord Open Air 2013 lockte am 26. und 27. mit insgesamt 16 Bands aus verschiedenen Genres von Hardcore, Heavy Metal bis Punk Rock etliche tausend Besucher auf den Viehofer Platz in der Essener Innenstadt.
The Doomsayer
An beiden Tagen ging es jeweils schon um 14 Uhr los. Am Freitag hatte es der Opener The Doomsayer aus England am schwersten für Stimmung zu sorgen. Dabei legten die Jungs um Fronter Stefano “Vlad” Ghersi einen verdammt guten Einstieg hin, aber es waren schlichtweg noch nicht genug Besucher anwesend, um den energiegeladenen Gig gebührend abzufeiern.
Mit ihrem druckvollen, erfrischend vielseitigen Hardcore konnten The Doomsayer die bereits Anwesenden recht zügig überzeugen. Und so hallte auch schon kurz nach Beginn des Auftritts lautstark Vlads Stimme über den Platz: “Let me see the first moshpit of the day!”, forderte er und tatsächlich: Eine handvoll Besucher ließ es sich nicht nehmen, schon zu früher Stund ein wenig zu moshen.
Angesichts der Motivation und Energie, die The Doomsayer an den Tag legten, allerdings auch mehr als gerechtfertigt – erst recht wenn man bedenkt, dass die Jungs eine ordentliche Anreise hinter sich hatten.
Auch wenn sich The Doomsayer sicher ein wenig mehr Zuschauer gewünscht hätten, dürften die Jungs dennoch den ein oder anderen Fan dazugewonnen haben. Deshalb war es auch nicht verkehrt, Werbung für die kommende erst CD-Veröffentlichung, die Facebook-Präsenz sowie ein neues Musikvideo zu machen.
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President Evil
President Evil aus Bremen schlugen im Anschluss etwas rockigere Töne an.
Die Kombo um Sänger Neal McCocker präsentierte eine feine Mischung aus Rock ‘N Roll und modernem Heavy Metal. Gewisse Paralleln zu den Mönchengladbachern Motorjesus, die im Ruhrpott eine große Fanbase haben, waren erkennbar.
So verwunderte es dann auch nicht wirklich, dass es zum einen etwas voller wurde und der Stimmungspegel stieg und zum anderen, dass Chris Birx – seines Zeichens Fronter von Motorjesus – auf dem aktuellen President Evil-Album Back From Hell’s Holiday auch als Gastmusiker zu hören ist. Auch Neals Interaktion mit dem Publikum in Form des Trinkspruchs “Prost Ihr Säcke”, auf den das Publikum lautstark mit “Prost du Sack” antwortete, kennt der geneigte Konzertgänger von Motorjesus.
Musikalisch konnten President Evil dann aber doch eigene Akzente setzen. Vor allem das eingängige Coffee & Cocaine oder der mitreißende Ohrwurmsong Dead Man’s Float, bei dem das Publikum eifrig mitsang, klatschte und sprang, sind hier zu nennen.
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Dog Eat Dog
Da im Anschluss die Crossover-Urgesteine Dog Eat Dog aus Amerika die Bühne enterten wurde es schlagartig voller. Eigentlich hätten Dog Eat Dog gut und genre als (Co-)Headliner auftreten können, aber aufgrund eines weiteren Auftritts am gleichen Tag im rund 400 Kilometer entfernten Belgien musste die Kombo entsprechend zu ungewohnt früher Stunde auf die Bretter.
Sänger John Paul Luke Connor stelle daher auch gleich klar: “We have limited time today” und dennoch wusste er zwischen den Songs reichlich zu erzählen. Neben viel Interaktion mit dem Publikum, dass er scheinbar nicht oft genug für den Support über all die Jahre danken und loben konnte, sorgte er aber auch mit einer geballten Ladung Bühnenpräsenz für Stimmung. Quasi die ganze Zeit über sprang und rannte er beim Singen bzw. Rappen über die Bühne und animierte das Publikum zum Mitmachen.
Mit ihrer musikalisch doch sehr eigenwilligen Mischung aus Hardcore, Punk, Heavy Metal und Hip Hop trafen Dog Eat Dog zwar nicht jeden Geschmack, aber der Großteil der Besucher wurde sehr schnell warm mit den Amerikanern. Lieder wie Walk With Me, das mit Soli von Saxophon, Gitarre und Bass überraschte, I Need Some Money oder Cannonball, das die Band allen Skatern, Stagedivern und anderen Konsorten widmete, versprühten pure Energie und zeigten eindrucksvoll, wie facettenreich die Musik von Dog Eat Dog sein kann, wenn man sich auf sie einlässt.
Gegen Ende des Auftritts durften dann noch einige Speciel Guests sowie Crew-Mitglieder auf die Bühne, so dass es zum Abschluss dann auch noch einmal buchstäblich drunter und drüber ging : Bei Songs wie Step Right In oder Expect The Unexpected wechselten sich “Zicke zacke zicke zacke hoi hoi hoi”-Schlachtrufe, technoide Elektro-Sounds sowie fast schon besinnliche Saxophon-Klänge mit gerappten oder gegrowlten Parts ab. Definitiv eine ungewöhnliche Band mit äußerst partytauglicher Musik!
Dass Dog Eat Dog schon sehr früh auftraten, war zwar schade für die Band sowie die angereisten Fans, entpuppte sich für das Festival jedoch als sehr gut, da so die folgenden Bands vom Publikumszuwachs profitieren konnten.
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The Crimson Ghosts
Um 17 Uhr sorgten The Crimsons Ghosts aus Köln schließlich für eine Prise Horrorpunk.
Leider – so die Meinung vieler Anwesender – traten die Bandmitglieder allesamt ungeschminkt auf, so dass zumindest optisch kein Gefühl von Horror vermittelt wurde. Auch die Texte waren nicht immer einfach zu verstehen, so dass es nicht wenigen doch recht schwer fiel, die Horror-Thematik wenigstens aus den Liedtexten herauszuhören. An die ausgelassene Stimmung von Dog Eat Dog konnten The Crimsons Ghosts daher leider auch nicht ganz anknüpfen, obgleich die Musiker ebenfalls fleißig auf der Bühne performten. Dennoch blieb die Stimmung im Publikum eher distanziert statt ausgelassen.
Am 07.09.2013 sind The Crimsons Ghosts übrigens noch mal in Essen zu sehen, und zwar im benachbarten Panic Room – dann ja vielleicht auch mit Schminke und Horror-Outfits.
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Louise Distras
“I am Louise Distras from England”, hallte es nach einer weiteren kurzen Umbaupause über den Viehofer Platz. Die erste und bis auf eine kurze Ausnahme auch einzige Frau auf dem Nord Open Air 2013 rückte sich noch schnell ihr Dekolleté zurecht, was von den Besuchern lautstark bejubelt wurde, bevor die Solokünstlerin aus London mit ihrem Akkustik-Set begiann.
Natürlich blieb Louise Distras nicht von einem merklichen Publikumschwund verschont, aber alle, die den Viehofer Platz nicht panisch verließen und sich stattdessen auf den Auftritt der sympathischen Punkerin, die in England längst als Stern am Punkhimmel angesehen wird, einließen, wurden nicht enttäuscht.
Nachdenkliche, gesellschaftskritische Texte, verpackt in hörenswerte, ehrliche Songs und eine unverwechselbare Stimme machten den Auftritt von Louise Distras hörens- und sehenswert.
Positiv hervorzuheben sind hier u.a. People Of The Abyss oder das grandiose The Hand You Hold, das Louise Distras allen Frauen und den inhaftierten russischen Punkerinnen von Pussy Riot widmete. “Never ever apologise for yourself!”, verkündete sie weiter – eine Aussage, die man nur unterschreiben kann.
Und wie schrieb ein Fotokollege kurz nach dem Auftritt: Hatte gestern die “dicksten Eier” – Louise Distras. Auch diese Bemerkung kann man wohl ohne zu zögern so unterschreiben. Sich als Punkgöre, nur mit einer Akkustikgitarre bewaffnet, einem Publikum, das hauptsächlich aus Metallern bestand, zu stellen, gebührt Respekt. Wenn man es dann noch schafft, eine ganze Menge Besucher zum Abgehen zu animieren und mit der eigenen Musik zu überzeugen, heißt man wohl Louise Distras. Wahrlich ein tolle Künstlerin!
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Born From Pain
Die letzten drei Bands des ersten Festivaltages – namentlich Born From Pain, Street Dogs und Madball – boten dem Publikum in Verlauf des Abends dann noch einmal die geballte Dosis aus Punk und Hardcore. Die niederländische Hardcore-Punk-Band Born From Pain aus Heerlen versprühte als erste Kombo des Trios ihre aggressiv-kritische Musik.
Born From Pain beließen es allerdings nicht nur bei aggressiver Musik, sondern vor allem Fronter Rob Franssen versuchte auch immer wieder mit seinen Ansagen, das Publikum aufzurütteln. Vor dem gesellschaftskritischen The New Hate machte er sich beispielsweise stark dafür, dass Kinder jedweder Herkunft auch zukünftig eine faire Chance im Leben bekommen sollen. “Lasst euch nicht verarschen, aber versteckt euch auch nicht vor all dem Elend auf dieser Welt”, fuhrt er fort, bevor die Band ein weiteres Lied den Jungs vom Nord widmete. Auch zum Festival hatte Rob eine Meinung: “Toll, dass sich hier alle Subkulturen zusammenfinden!” Beide Aussagen kann man so unterstreichen.
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Street Dogs
Punk mit irischen Einflüssen boten im Anschluss die Street Dogs aus Boston.
Sänger Mike McColgan verlieh bis zu seinem Austieg im Jahr 1998 der Folk-Punk Band Dropkick Murphys seine Stimme, bis er schließlich Street Dogs gründete. Gewisse irische Folk-Einflüsse konnte man bei der Musik durchaus heraushören.
Alles in allem boten Stret Dogs aber eher klassischen Punk, wenngleich die Texte – im Gegensatz zu denen von den Dropkick Murphys – nicht nur sozial-kritische Texte beinhalteten, sondern auch viel von Freundschaft und Zusammenhalt handelten.
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Madball
Ungleich härter ging es beim Headliner Madball zu.
Dass die Hardcore-Punk-Band, die viele spätere Metalcore-Gruppen maßgeblich beeinflusst hat, keinen Hehl aus ihrer Vorreiter-Rolle für den New York Hardcore machte, konnte man den Ansagen von Fronter Freddy Cricien erkennen, in denen er mehrmals auf die Funktion von Madball (“representing the whole NY-Hardcore-Scene”) aufmerksam machte.
Musikalisch ließen die Jungs von Madball nichts anbrennen und präsentierten sich äußerst spielfreudig und agil. Vor allem Sänger Freddy wirbelte und sprang energisch über die Bühne und animierte das Publikum vehement zum Ausrasten. So verwunderte es dann auch nicht, dass die Meute noch einmal frenetisch abging und etliche Crowdsurfer bis zum Ende des Auftritts kontinuierlich in den Graben gespült wurden und so dafür sorgten, dass die Security zum Abschluss des ersten Festivaltags noch einmal alle Hände voll zu tun hatte.
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Den Bericht vom zweiten Tag des Nord Open Air 2013 findet ihr hier.