Eigentlich hätte dieses Jahr die 20. Auflage des beliebten Castle Rock Festivals im Mülheimer Schloss Broich stattfinden sollen. Die Veranstalter um Michael Bohnes hatten jedoch bereits im Rahmen des letztjährigen Festivals bekanntgegeben, dass die Location im Jahr 2019 aufgrund von Renovierungsarbeiten des Schlosshofes nicht zur Verfügung stehen würde. Doch das Festival, das sich über die Jahrzehnte zu einem alljährlichen Familienfest der schwarzen Szene gemausert hat, einmalig pausieren zu lassen, kam für die Organisatoren nicht in Frage. Also wurde nach einer Ausweichlocation für das sog. „Out of Castle Festival 2019“ gesucht und man fand sie – nur wenige Gehmeter vom liebgewonnenen Schloss Broich entfernt – im angrenzenden MüGa-Park. In der Grünanlage der einstigen Landesgartenschau, wo es sich zwischen den Auftritten der Bands seit Jahren ohnehin gut entspannen lässt, fand das „Near Castle Festival 2019“ am 05. und 06. Juli also einmalig statt. Die diesjährige Ausgabe des Near Castle Rock wird übrigens einfach nicht mitgezählt, denn das „richtige“ 20jährige Jubiläum des Castle Rock hebt man sich für 2020 – dann wieder wie gewohnt im Schloss – auf.
Neben der Location hat sich eimalig auch ein wenig die musikalische Ausrichtung des ersten Festivaltags am 05. Juli, der unter dem Motto „Local Heroes Day“ steht, geändert. Das bedeutet, es treten vor allem Bands aus Mülheim und den umliegenden Städten auf. Und, etwas unüblich für das Castle Rock, auf dem sonst vor allem düstere Spielarten des Metal und Gothic sowie Bands aus dem Spektrum der Neuen Deutschen Härte präsentiert werden, hielt dieses Mal der Punkrock Einzug.
Als Freitagsheadliner sorgten nämlich niemand geringeres als die Rheinberger Rocker von Betontod für mächtig ausgelassene Stimmung.
Frontmann Oliver Meister ließ sich trotz gebrochenem Arm nicht ausbremsen, flitze über die Bühne als gäbe es kein Morgen mehr und sang sich sprichwörtlich die Seele aus dem Hals, aber auch die übrigen Bandmitglieder performten was Zeug hielt und interagierten vorbildlich mit den feiernden Fans. Mit ihrem famosen Auftritt auf dem Near Castle Festival bewiesen Betontod einmal mehr, warum sie seit nunmehr fast 30 Jahren zur Speerspitze des deutschen Punkrocks zählen.
Zuvor servierten die Co-Headliner Die Lokalmatadore feinsten Ruhrpott-Punkrock.
Der Name der bereits 1982 gegründeten Band konnte passender nicht sein, denn die Jungs um Frontmann Bubba hätten quasi zu Fuß zum Festival marschieren können, ist Mülheim an der Ruhr doch ihre Heimatstadt, was sich auch in so manchen Liedtexten widerspiegelte. Unter dem Motto „Fußball, Ficken, Alkohol“, mit denkwürdigen (teils bauchfreien) Outfits und Mitgröhlklassikern wie „VfB Speldorf ist der geilste Club der Welt“, „Zwischen Heißen und Kettwig“ und natürlich „Pillemann, Fotze, Arsch“ machten die mülheimer Urgesteine des Assipunk sämtliche anwesenden Fans der Band glücklich. Dass die Kombo natürlich nicht jedermanns Geschmack traf, sollte allerdings niemanden ernsthaft verwundert haben.
Ebenfalls aus dem Ruhrpott kamen Another Tale, die sich bereits in den 1990er Jahren gegründet und einige Jahre nach der Jahrtausendwende auch wieder aufgelöst hatten.
Nachdem sie nun seit einigen Jahren wieder aktiv sind und bereits 2018 erfolgreich die Schlossmauern rockten, eröffneten sie dieses Jahr um 17:00 Uhr das Festival mit einem großartigen Auftritt mit Liedern, die mal melancholisch, mal nachdenklich traurig, mal fetzig und rockig daherkamen.
Im Anschluss brachten Double Cursh Syndrome mit ihrem reinrassigen Rock’n’Roll den MüGa-Park zum Beben und versetzten mit allerlei flotten Sprüchen und noch flotterem Sound die Nervenbahnen der anwesenden Besucher in Schwingung.
Ein paar Kostenproben der ironischen Ansagen vom jokerhaft geschminkten Frontmann Andy Brings gefällig? Bitteschön: „Super geiler Sound oder? Nur schade, dass alles Playback ist“ oder „Bereit für ein fröhliches Lied?“ und es folgte das Lied Slow Suicide. Vor dem nächsten Lied fragte Andy Brings: „Lust auf ein trauriges Lied?“ Und ihr könnt es euch denken, es folgte ein fröhliches Lied, bei dem sogar eine kleine Polonaise im Publikum entstand. 😀
Am Samstag, dem wie gewohnt etwas längeren zweiten Festivaltag, gab es dann alles, wonach sich die Herzen der schwarzmetallischen Fans sehnen: Ein absolutes Highlight im wahrsten Sinne des Wortes war sicherlich der Auftritt des Headliners Stahlzeit.
Denn die Rammstein-Cover-Band, die bekannt ist für ansehnliche Pyroeffekte und Showeinlagen, die denen ihres Vorbilds kaum nachstehen, brannte ein regelrechtes Feuerwerk ab, auch wenn der heftige Regen der Technik etwas zu schaffen machte. Für alldiejenigen, die es nicht zu den „originalen“ Rammstein-Konzerten der diesjährigen Tour schaffen, boten die Mannen um Frontmann Helfried „Heli“ Reißenweber, auch bekannt durch seine Band Maerzfeld, ein ähnlich fulminantes Erlebnis dar, inklusive vieler bekannter Szenen, etwa dem Flammenwerfer, mit dem ein Kochtopf befeuert wird.
Der Gothminister höchstpersönlich – ein gern gesehener Gast auf Schloss Broich, schließlich trat er schon mehr als einmal im Schlosshof auf – der auch für nicht gerade zimperliche Bühnenshows bekannt ist, gab sich ebenfalls die Ehre und tauchte den MüGa-Park als Co-Headliner in eine tiefschwarze Stimmung. Musikalisch gab es rein gar nichts zu mäkeln, optisch sah auch alles top aus, rundum zufriedenstellender Auftritt für alle Gothic-Seelen.
Neben all den brachialen bis düsteren Klängen fielen die Gute-Laune-Musiker von Tri State Corner etwas aus dem Rahmen (von denen ich leider ausnahmesweise keine Fotos beisteuern kann), aber ein wenig musikalische Abwechslung in Form von tanzbarem Bouzuki-Rock war sicherlich eine willkommende Alterantive zum Abfeiern. Etwas andächtiger sollte es ursprünglich bei The Fright zugehen, die sich in ihrem Liedgut mit den großen Dichtern und Denkern der Weltgeschichte befassen, jedoch wurde der Auftritt abgesagt, weshalb glücklicherweise die sympathischen Kerle von Voodoma einsprangen, wodurch sich allerdings die Running Order ein wenig verschob.
„Schwarze Manege frei!“, hieß es am Samstag zunächst – zur für viele Gäste noch sehr frühen Stund – um 13:00 Uhr, als Circus of Fools den zweiten Tag des Near Castle Festival 2019 einläuteten.
Als Opener machte die äußerst sehenswert geschminkte und aufwendig kostümierte Zirkustruppe einen fulminanten Job und bewies, warum der Band ein guter Ruf als aufstrebende Live-Band vorauseilt. Die Texte ordentlich gesellschaftskritisch, der Sound ein herrlich eigenwilliges Soundgewitter aus harten Riffs, elektronischen Industrial-Klängen, tiefen Shouts und Growls von Frontmann Tim Strouken, dessen Stimme hin und wieder ein wenig an Dimmu Borgir erinnerte, das Ganze verfeinert durch eine vielseitige weibliche Gesangsstime von Carolin Saia und flinkem Geigenspiel von Coen Strouken – Metalherz, was willst du mehr?!
Nachdem anschließend Voodoma aus Düsseldorf relativ kurzfristig als Ersatz für The Fright auftraten (Veranstalter Michael Bohnes erklärte, dass die Band nach gerade mal 20 Minuten nach seiner Anfrage bereits zugesagt hatte) und wie immer einen Auftritt nach Maß hinlegten, folgte am frühen Nachmittag der Auftritt von Schattenmann, die einen erfrischenden Mix aus Neuer Deutscher Härte und elektronischen Klängen spielten und außerdem ihr frisch gepresstes Album Epidemie im Gepäck hatten. Jede Menge eingängie Mitgröhl-Passagen und ein deftiger eigenständiger Sound – so muss Neue Deutsche Härte klingen!
Auch den Gig von Null Positiv, die im Anschluss auftraten, hat man besser nicht verpasst, denn die Männer (und die zwei hübschen als Bondage-Kätzchen zurecht gemachten Damen als Anheizerinnen) um Frontfrau Elli Berlin legten eine absolut energiegeladene sehens- und hörenswerte Performance hin. Bezeichnungen wie „die deutsche Antwort auf Arch Enemy“ drängten sich auf, wenngleich Null Positiv ganz individuelle Facetten in ihre Musik einbringen und der größte Unterschied natürlich die deutschen Texte sind.
Von Null Positiv wird man definitiv noch einiges sehen und hören, denn Powerfrau Elli Berlin und ihre Band strotzten nur so vor Energie und Spielfreude, dass es einen förmlich aus den Latschen haute. Gerne mehr davon!
Hier findet ihr nun meine Fotostrecken vom Near Castle Festival 2019.
Mit einem Klick auf die Bandnamen springt Ihr direkt zur jeweiligen Galerie:
- Another Tale
- Double Crush Syndrome
- Die Lokalmatadore
- Betontod
- Circus of Fools
- Voodoma
- Schattenmann
- Null Positiv
- Gothminister
- Stahlzeit
Another Tale
Links zu Another Tale: Offizielle Homepage | Facebook
Double Crush Syndrome
Links zu Double Crush Syndrome: Offizielle Homepage | Facebook
Die Lokalmatadore
Links zu Die Lokalmatadore: Offizielle Homepage | Facebook
Betontod
Links zu Betontod: Offizielle Homepage | Facebook
Circus of Fools
Links zu Circus of Fools: Offizielle Homepage | Facebook
Voodoma
Links zu Voodoma: Offizielle Homepage | Facebook
Schattenmann
Links zu Schattenmann: Offizielle Homepage | Facebook
Null Positiv
Links zu Null Positiv: Offizielle Homepage | Facebook
Gothminister
Links zu Gothminister: Offizielle Homepage | Facebook
Stahlzeit
Links zu Stahlzeit: Offizielle Homepage | Facebook
Chapeau, das waren – auch außerhalb der Schlossmauern – wieder mal zwei geile Festivaltage. Und für die eingangs bereits angesprochene 20. Jubiläumsausgabe des Castle Rock am 3. und 4. Juli 2020 sind bereits die ersten Hochkaräter angekündigt worden: Neben Aeverium, HellBoulevard und Beloved Enemy werden sich Lord of the Lost und die Monstermannen von Lordi die Ehre geben! Der Ticketvorkauf beginnt am 31. August 2019! Um auf dem Laufenden zu bleiben besucht am besten regelmäßig die offizielle Homepage oder die Facebookseite des Veranstalters.
Viele weitere Fotos und Festivalberichte aus den Vorjahren findet ihr hier.