Reisebericht Sylt – die Insel mit den zwei Gesichtern

Sylt 2019

Einleitung

„Was willst du denn in Sylt? Da fahren doch nur die Schönen und Reichen hin!“ Solche und ähnliche Sprüche wird wohl fast jeder schon einmal im Zusammenhang mit der nördlichsten Nordseeinsel Deutschlands gehört haben.

Dass die Insel ein Hotspot etlicher bekannter Persönlichkeiten ist, ist selbstredend kein Geheimnis. Dass die Mieten bzw. Grundstückspreise auf der Insel vielerorts ausufern, ist ebenfalls bekannt. Dass dies sogar soweit führt, dass sich viele Einheimische das Leben auf der Insel nicht mehr leisten können und daher rund 5000 Personen zum Arbeiten täglich vom Festland auf die Insel pendeln müssen, weil der Unterhalt auf Sylt zu teuer geworden ist, ist traurige Realität. Dass Sylt seinen Status als Kurort weitgehend eingebüßt hat und die Zahl der tatsächlichen Kurgäste nur noch marginal ist, stimmt auch – dennoch wirkt sich das Seeklima natürlich positiv auf Körper und Geist aus. Dass sich auf Sylt mittlerweile die teuerste Straße Deutschlands befindet, ist ebenfalls Fakt. Irrsinnigerweise stehen manche der dortigen Häuser fast das ganze Jahr über leer und werden nur ein Mal im Jahr kurz eingerichtet, wenn die Besitzer Urlaub auf der Insel machen.

Was der Ottonormalo also so alles vom Hören-Sagen kennt, ermuntert nicht unbedingt, einen Urlaub auf Sylt zu planen und zu verbringen. Zu teuer, zu voll und zu versnobbt lauten die gängigen (Vor-)Urteile. Trotzdem wollte ich mir selbst ein Bild davon machen, wie es um die größte nordfriesische Insel bestellt ist – und im Idealfall auch jede Menge schöne Fotografien während meiner Fototour auf Sylt anfertigen.

Als Zeitpunkt hatte ich mir eine Woche über die Osterfeiertage ausgesucht – also noch in der Vorsaison, da die Hauptsaison auf Sylt erst ab Mai beginnt. Vorweg kann ich sagen: Mit der Terminauswahl für die Reise hatte ich außerordentliches Glück, denn die sieben Frühlingstage herrschte durchweg Bombenwetter, die Temperaturen lagen im fast schon hochsommerlichen Bereich, die sehr untypisch für diese Zeit waren und phantastische Sonnenuntergänge rundeten die Abende ab.

Anders als bei meinen letzten Reiseberichten werde ich dieses Mal allerdings nicht die einzelnen Tage chronologisch Revue passieren lassen, sondern nacheinander die verschiedenen Orte der Insel vorstellen, da ich während meines Urlaubs in den meisten Orten Sylts mehrfach vorbeigeschaut habe und der Bericht ansonsten sehr sprunghaft wirken würde.

Die Anreise – ein kleines Abenteuer

Hat man eine der vielen Unterkünfte auf Sylt gebucht (hierzu sei gesagt, es gibt auch bezahlbare Wohnungen, neben etlichen tatsächlich exorbitant teuren und unbezahlbaren Luxushäusern), stellt sich die Frage, wie man auf die Insel kommt. Am praktischsten ist wohl die Anreise per Flugzeug – für die Umwelt und den eigenen CO-2-Fußabdruck jedoch am schädlichsten, erst recht wenn man mit dem Privatjet angedüst kommt.

Am ökologischsten ist vermutlich die Anreise mit dem Zug und die anschließende Erkundung der Insel zu Fuß oder mit dem (Miet-)Fahrrad – bei den meisten Anbietern für nur 7 € pro Tag mietbar – auf gut ausgebauten Radwegen, die die gesamte Insel umspannen. Auch das öffentlichte Verkehrsnetz ist sehr gut ausgebaut; Busse verbinden regelmäßig die wichtigsten Orte der Insel. Sogar einige Fahrräder können am Busende angehangen werden.

Alternativ verkehrt eine Fähre von der dänischen Insel Rømø, die über einen Autodamm mit dem dänischen Festland verbunden ist, zum Hafen von List im Norden Sylts, mit der auch Autos oder Fahrräder transportiert werden können. Für die Fähren können Reservierungen getätigt werden, so dass Wartezeiten weitgehend minimiert werden können.

Die Mehrheit der Urlauber gelangt aber wohl per Autozug von Niebüll über den sog Hindenburgdamm nach Westerland auf die Insel. Die Anreise mit dem Autozug gestaltet sich dabei, wie man regelmäßig hört, oft zur reinen Nervensache, da die Wartezeiten für den Sylt Shuttle der Deutschen Bahn je nach Andrang ziemlich schnell auf mehrere Stunden ansteigen können. Darüber hinaus gibt es auch noch einen privaten Autozuganbieter – den sog. blauen Autozug der Railroad Development Corporation – bei dem man gezielt einen bestimmten Zug buchen kann, was in der Regel deutlich zügigere Abfertiungen zur Folge hat.

Aufgrund meines sperrigen Kameraequipments – jaja, ich weiß, faule Ausrede – ging es für mich mit dem Auto auf die Insel und nunja, was soll ich sagen: Die Hinfahrt mit dem Autozug entpuppte sich tatsächlich als ein kleines Abenteuer. Bereits vormittags bildeten sich vor der Verladestation in Niebülll lange Staus.

Zwar ist der Hindenburgdamm mittlerweile zweigleisig ausgebaut, die Zugstrecke auf der Insel ist jedoch noch immer teilweise einspurig, weshalb Wartezeiten unvermeidlich sind. Auch durch die Konkurrenz durch den blauen Zug wird die Abfertigung des roten DB-Zugs nicht gerade beschleunigt. Über die zusätzlichen Probleme mit dem fast immer komplett leer verkehrenden Sylt Shuttle Plus, mit dem die Deutsche Bahn weitere Gleiskapazitäten beansprucht, um andere Anbieter von der Strecke fernzuhalten, wurde u.a. bereits bei Extra3 berichtet.

Über den Namen des Damms bzw. vielmehr über den Namensgeber Hindenburg, der als Wegbereiter Hitlers angesehen wird, regt sich seit geraumer Zeit Widerstand (siehe z.B. hier), dabei ist Hindenburgdamm seit jeher nur eine inoffizielle Bezeichnung, die sich im Sprachgebrauch manifestiert hat, weil Hindenburg seinerzeit einer der ersten Passagiere der Zugverbindung nach Sylt war. Neutralere Namensvorschläge wie Sylt-Damm oder Friesendamm haben sich bisher nicht durchsetzen können.

Aber zurück zur Hinfahrt: Insgesamt verbrachte ich ca. zwei Stunden vor der ersten Schranke, eingepfercht zwischen vielen anderen Autos und teilweise recht ungeduldigen Menschen. An der ersten Schranke angekommen, konnte man an einem Automaten das Ticket für den Autoshuttle kaufen oder bereits im Vorfeld gekaufte Tickets einlösen. Doch dann die Überraschung: Nach der ersten Schranke wird man noch durch zwei weitere mehrspurig ausgebaute Wartebereiche geleitet. Mehrere Imbissbuden buhlen auf dem gesamten Wartegelände um die Gunst der Wartenden. Von einem kleinen Aussichtsturm konnte man sich ein Bild von der Blechlawine, die sich gen Autozug bewegte, machen.

War man endlich auf den Zug verladen worden, ging die eigentliche Fahrt dann recht zügig vonstatten und man konnte sich während der Fahrt über den Damm und der anschließenden Fahrt über die Insel zum Bahnhof Westerland einen ersten Eindruck von der Schönheit Sylts verschaffen. Und nachdem ich schließlich die Insel mit dem Verkehrsmittel meiner Wahl erreicht hatte, konnte der Urlaub endlich beginnen…

Westerland – das Zentrum Sylts

Gewohnt habe ich in Alt-Westerland in einer geräumigen Wohnung in einem urigen Reetdachhaus, wie es auf der Insel unzählige in diversen Formen und Variationen gibt. Das Haus lag in einer sehr ruhigen Nebenstraße nahe dem Bahnhof, nur wenige Gehminuten vom Ortszentrum Westerlands, dem größten Ort auf Sylt, entfernt. Nachfolgend einige Eindrücke aus Alt-Westerland:

Apropos Westerland. Hier muss ich direkt mit einem Vorurteil aufräumen: Westerland ist beileibe nicht so hässlich, wie gerne mal behauptet wird. So viel konnte ich nach einem ersten Bummel durch den größten Ort der Insel schnell urteilen. Zwar befinden sich an der Strandpromenade einige weniger schöne Bausündenhochhausklötze mit bis zu 15 Etagen aus den sechziger und siebziger Jahren, aber ansonsten ist der Ort deutlich schöner als sein Ruf.

Allerdings stimmt es, dass auf der Promenade und der Fußgängerzone mit ihren allerlei gastronomischen Betrieben schon ordentlich Party gemacht wird. Zustände wie am Ballermann findet man hier zwar nicht vor, aber das ein oder andere Strandlokal beschallt die Feierwilligen durchaus mit gängigen Schlager- und Schunkelhits. In der sog. Strandmuschel, einer überdachten Freiluftbühne, finden auf der Promenade im Sommer auch allerlei Konzerte statt. Und in einer Wasserstelle am Strand vollführt so mancher Spaßvogel mithilfe eines Seils, das von einem Rasenmähermotor gezogen wird, und einer kleinen Rampe den ein oder anderen Sprung und macht so auf sich aufmerksam. Aber zum Glück ist die Strandpromenade Westerlands ja über sechs Kilometer lang und ober- bzw. unterhalb des unmittelbaren Zentrums, wo sich das meiste Geschehen abspielt, geht es auch auf der Strandpromenade etwas ruhiger zu.

Zu den weiteren Highlights Westerland zählen u.a. der Rathausplatz mit dem großen Rathaus (dem ehemaligen Spielcasino) und die grünen reisenden Riesen vor dem Bahnhofsgebäude – eine große Skulpturengruppe, die heute Kult sind, damals als sie aufgestellt wurden, jedoch sehr kritisch beurteilt wurden. Sehenswert ist auch der sog. „Friedhof der Heimatlosen“, ein Friedhof für die früher regelmäßig angetriebenen namenlosen toten Seeleute. Bei schlechtem Wetter lohnt ein Besuch im Schwimmbad von Westerland sowie des nahegelegenen Sylter Aquariums. An einer bemalten Häuserfassade, an der man unweigerlich vorbeikommt, wenn man am Bahnhof von Westerland vorbeischlendert, konnte ich selbsverständlich nicht einfach vorbeigehen ohne ein Foto davon zu schießen – die Möwe oben links im Bild ist übrigens nicht gemalt, sondern zufälligerweise genau in dem Moment, als ich die Kamera ausgelöst habe, ins Bild geflogen.

Den Sonnenuntergang von der Promenade bzw. am Strand von Westerland zu beobachten, stellt für viele Touristen und Einheimische gleichermaßen den optischen Höhepunkt eines jeden Tages dar. Ich habe jeden Abend meiner Reise an einem anderen Standort verbracht und am einzigen Tag in Westerland wurde die untergehende Sonne leider von dichten Wolken verdeckt. Dennoch sind ein paar zeigenswerte Fotos entstanden:

Für Urlauber, die gerne unter Leuten sind, ist Westerland ein idealer Treffpunkt, wer hingegen überwiegend Ruhe, Einsamkeit und Entspannung sucht, wird im belebten Westerland vermutlich nicht hundertprozentig glücklich werden – aber glücklicherweise hat Sylt noch viele weitere (Urlaubs-)Orte zu bieten.

Hörnum – das Kleinod im Süden

Viel wohler als in Westerland habe ich mich vor allem im südlichsten Teil der Insel – in Hörnum – gefühlt. Der kleine Ort am unteren Zipfel – dem sog. Nehrungshaken – der Insel trumpft an der Ostseite mit einem familienfreundlichen Strand und günstigen Strandkorbmieten (diese kosteten dort während meiner Reisezeit nur 5 € pro Tag; zum Vergleich: am Strand von Westerland wurden zum selben Zeitraum ca. 10 € täglich fällig) auf. Am kleinen Hafen, von dem regelmäßig unterschiedliche Fährverbindungen zu benachbarten Inseln wie Amrum oder Föhr und Bootsrundfahrten starten, gibt es einige Buden, die bezahlbaren Fisch, Meeresfrüchte und andere typische Imbiss-Gerichte anbieten.

Die Preise in den Restaurants und Cafés auf der Insel sind – auch das ist kein Geheimnis – nicht gerade günstig, aber es gibt natürlich schon Unterschiede je nach Ort und Lage. Wer sucht, findet auch Lokalitäten, wo dreiviertel Liter Mineralwasser nicht gleich 10 Euro kosten. Außerdem muss man ja auch nicht jeden Tag auswärts essen, auch ein in den eigenen vier Wänden zubereitetes Süppchen bzw. Häppchen kann den Hunger stillen.

Umittelbar hinter den Dünen des Hörnumer Strands befindet sich auch einer von fünf Leuchttürmen der Insel, übrigens der einzige, der gegenwärtig begehbar ist – allerdings nur nach vorheriger Anmeldung und nach Verfügbarkeit.

Zwischen 1918 und 1933 befand sich im Hörnumer Leuchtturm die kleinste Schule Deutschlands. Der Unterricht der zwei bis fünf Schüler fand in 30 Metern Höhe statt. Der weithin sichtbare Leuchtturm taucht konsequenterweise auch auf vielen meiner Fotos von Hörnum auf. Zugegeben, er ist auch einfach sehr fotogen und gibt aus jeder Perspektive eine gute Figur ab.

Auch wenn die Wassertemperaturen um Ostern herum nur ganz kurze Badegänge erlaubten, so war es doch warm genug, um stundenlang barfuß entlang der Südspitze, der Hörnum-Odde, auf ausgedehnte Erkundungsspaziergänge zu gehen. Die Odde schrumpft durch Erosion ständig, wovon auch eine hohe Abbruchkante zeugt. So verlor die Odee im Jahr 2005 bei einem Sturmtief allein knapp 20 Meter.

An fast allen Stränden auf Sylt konnte man neben Miesmuscheln, Seesternen und Co. auch Unmengen Austernschalen finden – so auch am Strand von Hörnum. Dies kommt daher, dass die heimische Auster aufgrund von Überfischung bereits lange ausgestorben ist. Die vom Menschen daraufhin angesiedelte pazifische Auster fühlt sich indes so pudelwohl, dass es bald zu viele davon geben könnte. Krabben und andere Krebse suchte man derweil fast vergeblich. Immerhin ein tolles Foto von einer Möwe, die sich mit ihrem Schnabel genüsslich an einer Krabbe zu schaffen macht, konnte ich einsacken.

Möwe mit Krabbe

Bereits seit 1991 lässt sich im Hörnumer Hafen regelmäßig die (wie sich erst spät nach der Namensgebung herausstellte) weibliche Kegelrobbe „Willi“ mit ihrer Freundin „Sylta“ beobachten, die von Touristen gerne mit Heringen gefüttert wird. Während meiner Besuche in Hörnum habe ich das gleichermaßen beliebte wie beleibte Inselmaskottchen jedoch leider nicht angetroffen. Als weitere Sehenswürdigkeit kann noch die schneeweiße Kirche St. Thomas in der Nähe des Hafens empfohlen werden.

An der gesamten Westküste finden sich alle paar Kilometer immer mal wieder größere Parkplätze (teilweise kostenlos, teilweise kostenpflichtig) in den Dünen. Von dort gelangt man – oft über Holzkonstruktionen – zum Strand. Ein Stück weit nördlich von Hörnum hielt ich an einem Abend an einem solchen Parkplatz und machte mich zum Meer auf, um von dort den Sonnenuntergang zu fotografieren.

Auf dem Parkplatz standen nur zwei weitere Autos und ich hatte fast den gesamten einsehbaren Strandabschnitt für mich alleine. Ein paar Kilometer weiter nördlich hingegen platzte der (selbstverständlich kostenpflichtige) Parkplatz vor der berühmten Sansibar aus allen Nähten – wo ich mich lieber aufgehalten habe, dürfte klar sein.

List – der Hafenort am Ellenbogen

In List auf Sylt, der nördlichsten Gemeinde Deutschlands, gab es ebenfalls einiges zu sehen und zu fotografieren. Kommt man das erste Mal nach List, fällt einem wohl als erstes das große – eher untypisch für eine Nordseeinsel – Riesenrad am Hafengelände auf.

Blick auf List

Der Ort selbst ist von einer Landschaft aus imposanten Wanderdünen, Heide und Salzwiesen umgeben. Das Zentrum des Hafengeländes ist ein beliebter Treffpunkt für Touristen und Insulaner. Die oben erwähnte zwischen List und der dänischen Insel Rømø verkehrende Fähre legt regelmäßig im Hafen an. Hier befinden sich auch etliche Restaurants und Imbissbuden, u.a. die nördlichste Fischbude Deutschlands, mit der der Unternehmer Jürgen „Jünne“ Gosch seine Restaurant- und Gastronomiekette „Gosch“ begründete, die mittlerweile an vielen Orten auf Sylt ansässig ist. Einige Restaurants haben hier neben üblichen Festzeltgarnituren riesige Strandkörbe mit je zwei Bänken und einem Tisch aufgestellt sowie zusätzliche Sitzmöglichkeiten in ehemaligen Bootsrümpfen geschaffen. Zudem existiert mit Dittmeyers Austerncompanie die einzige Austernzucht Deutschlands in List, die im Wattenmeer vor List die traditionsreiche Sylter Royal züchtet.  Sehenswert ist auch die alte Tonnenhalle, in der früher die roten und grünen Fahrrinnen-Bojen für Schiffe gelagert wurden. Heute beherbergt die Halle Fischbuden und Souvenirläden. Unmittelbar neben dem großen kostenfreien öffentlichen Parkplatz von List steht das relativ neu erbaute Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt, das den Besuchern Informationen in maritime Themen wie die Nordsee-, Meeres- und Klimaforschung, den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sowie Umwelt- und Küstenschutz vermittelt.

Auf dem sog. Ellenbogen, einer Halbinsel nördlich von List – auf dem auch der „nördlichste Punkt Deutschlands“ liegt – stehen die zwei rot-weißen Leuchttürme List West und List Ost – übrigens auch die nördlichsten Leuchttürme Deutschlands. Der Ellenbogen kann, da er auf Privatbesitz liegt, nur über eine mautpflichtige (ehemals vom Militär genutzte) Straße erreicht werden. Die Kosten belaufen sich pro Auto und pro Tag auf sechs Euro. Fußgänger und Fahrradfahrer können kostenlos passieren. Dass auf dem Ellenbogen eine Maut erhoben wird, liegt daran, dass die gesamte Umgebung von List sich seit Jahrhunderten in Privatbesitz einer Erbengemeinschaft befindet, die aus den beiden Stavenplätzen des Ortes – dem Osthof und dem Westhof – hervorgegangen ist.

Ein Spaziergang entlang des abgeschieden gelegenen Strands am Ende des Ellenbogens empfiehlt sich dennoch. Aufgrund der exponierten Lage weht dort meist eine steife Brise und die Meeresströmungen sind sehr stark, dafür wird man mit einem tollen Blick auf List sowie Unmengen angespülter Muscheln entlohnt.

Ein Stück weiter westlich von List liegt der Weststrand, an dem man mit etwas Glück Schweinswale beobachten kann. Eine lange Holztreppe führt hier zu einem höher gelegenen Aussichtspunkt, von dem man einen wundervollen Blick über die weite Wanderdünenlandschaft rund um List und den gesamten Ellenbogen hat.

Kampen – der Wohlfühlort für Wohlhabende

Die Gemeinde Kampen ist heute vor allem bekannt für teure Häuser und Einkaufsmöglichkeiten. Und tatsächlich reihen sich rechts und links der Hauptstraße durch den Ort noble Bekleidungsgeschäfte an edle Schmuckmanufakturen. Wie bereits weiter oben erwähnt liegt mit dem Hobokenweg auch die Straße mit den teuersten Grundstückspreisen Deutschlands in Kampen. Mich zog es da lieber zum fotogenen 40 Meter hohen schwarz-weißen Kampener Leuchtturm, der bereits seit über 150 Jahren im Zentrum der Insel thront.

Kampen entwickelte sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem kleinen Hotspot für viele Künstler und Intelektuelle. Das 1923 erbaute „Haus Kliffende“ wurde etwa zum bevorzugten Quartier des Schriftstellers Thomas Mann.

Vor und während des Zweiten Weltkriegs wurden – wie auch an anderen Orten auf Sylt – Flakstellungen mit zahlreichen unterirdischen Militärbunkern und Baracken östlich von Kampen errichtet. Zu unmittelbaren Kampfhandlungen kam es jedoch nie, auch gab es keine bedeutenden Schäden durch Angriffe alliierter Bomber. In der Nachkriegszeit lebten Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten in den ehemaligen Militäranlagen. In den 1950er Jahren entstand in einer ehemaligen Bunkeranlage das heute sehr beliebte Café Kupferkanne. Dort ist es meist so voll, dass mit Wartezeiten zu rechnen ist. Kein Wunder, denn das Café befindet sich in einer tollen Lage, die auch landschaftlich zu überzeugen weiß.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hielt der Zustrom von Gästen an und vor allem Profiteure des Wirtschaftswunders wählten Kampen als Urlaubsort aus. Trotz der zum Teil dichten Bebaung hat sich Kampen seinen dörflichen Charme bewahrt. Dies liegt vor allem an der seit 1912 geltenden Verordnung, die festlegt, dass alle neuen Häuser dem Ortsbild entsprechen sollen, d. h. in Klinkerbauweise und mit traditionellem Reetdach errichtet werden müssen.

Etwas weiter westlich vom Zentrum Kampens geht es an der 52,5 Meter hohen, nach Uwe Jens Lornsen (einem Sylter Freiheitskämpfer) benannten, Uwe-Düne, der höchsten Erhebung der Insel, sowie dem sog. Roten Kliff etwas ruhiger zu. Vor allem im Schein der untergehenden Sonne wird deutlich, woher das bis zu 30 Meter hohe Rote Kliff seinen Namen hat.

Das Rote Kliff bei Kampen

Über eine erst vor kurzem errichtete, teilweise auch behindertengerechte, Holzkonstruktion lassen sich das Rote Kliff sowie der Strandabschnitt erkunden, ohne die empfindlichen Dünen, Flora und Fauna zu beschädigen. Durch Sturmfluten und Erosion ist das Kliff dennoch weiterhin gefährdet.

Am endlosen Weststrand vor Kampen fanden sich nach der Flut übrigens unzählige Muscheln, Krebse und vor allem Seesterne in allen nur denkbaren Formen und Variationen.

Auch am Kampener Strand ließen sich die Tage in der wärmenden Abendsonne gut ausklingen – idealerweise von der hölzernen Aussichtsplattform in einem Strandkorb mit einem Kaltgetränk nach Wahl in der Hand.

Sonnenuntergang in Kampen

Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten Kampens zählen mehrere versteckt gelegene unbeschilderte Hünengräber und ungeöffnete Grabhügel auf der Westheide sowie der Avenarius-Park nahe dem Ortszentrum.

Wenningstedt – das kleine Westerland

Die kleine nördlich von Westerland gelegene Gemeine Wenningstedt empfand ich als die kleine hübschere Schwester von Westerland.

Wenningstedt

In Wenningstedt wird seit 2014 die gesamte Strandpromenade aufwändig modernisiert, umgestaltet und für den Tourismus erschlossen. Die modernen, mit zum Teil viel Glas verspiegelten Gebäude sind sicher nicht jedermanns Geschmack. Schön angelegt sind jedoch das wie eine künstliche Düne begrünte Strandcafé sowie die Holzkonstruktionen, die zu den Strandabschnitten hinter den Dünen hinabführen – von einer dieser Holzwege können Kinder sogar über eine Rutsche direkt zum Strand hinunterrutschen. Ein Eiscafé bietet hier neben herkömmlichem Eis für uns Menschen auch zwei Eissorten speziell für Hunde an – in den leckeren Sorten Rind oder Wildlachs, jeweils mit Karotte verfeinert; Wohl bekomms.

Etwas beschaulicher als die neu angelegte Promenade ist der alte Kern Wenningstedts, der sich um den großen Dorfteich herum erstreckt. Der Teich wurde dem Ort in den 1950er Jahren von den Eigentümerfamilien geschenkt. Heute tummeln sich allerhand Vögel am Teich und mehrmals in der Woche treffen sich Modellbootfans, um ihre ferngesteuerten Yachten und Schiffchen zu präsentieren. Sehenswert sind außerdem die Friesenkapelle sowie das kleine begehbare Ganggrab Denghoog, das vor über 5000 Jahren in der Jungsteinzeit errichtet wurde:

Rantum – der Ort am Rand oder Ort der Meeresgöttin?

Der kleine Ort Rantum, der an der mittlerweile schmalsten Stelle der Insel von etwa nur 550 Meter Breite liegt, verfügt über eine wechselvolle Geschichte. Insgesamt sechs Mal musste der Ort neu aufgebaut werden, weil er durch Sturmfluten weggespült und von Flugsand zugeschüttet worden war. Über den Namen ranken sich derweil Legenden: Eine Theorie geht davon aus, dass Rantum der Ort der Meeresgöttin Ran sei. Wahrscheinlicher ist jedoch die Ableitung aus der alten Schreibweise des Ortsnamens Raanteem als Ort am Rande. Ebenfalls mystisch ist die Vergangenheit der sog. Rantum-Burg, eine von ehemals drei Burgen auf Sylt. Das Bauwerk stand ursprünglich etwas südlich von Rantum auf einem Burghügel. Über Geschichte und Bauart der Burg ist nur relativ wenig bekannt. Die Burg soll jedoch einst über ein großes unterirdisches Gewölbe verfügt haben, in dem sich Seeräuber oft versammelt haben sollen. Heute ist von der Burg nichts mehr zu sehen, da die gesamte Anlage unter Dünen begraben ist. Bereits im Jahr 1762 soll die Burg fast gänzlich vom Sand bedeckt gewesen sein und so nahe am Meer gelegen habe, dass man befürchtete, sie würde von den Wellen weggespült.

Auch die jüngere Geschichte Rantums ist interessant. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde ein großes Wattgebiet, das sog. Rantumbecken, mit einem Außendeich umgeben und sollte als wasserberuhigter Seeflughafen dienen, da die Nordsee aufgrund des Wellengangs als zu unruhig für Wasserflugzeuge eingestuft wurde. Mit der Eroberung Dänemarks sank die Bedeutung des Rantumbeckens kurz nach der Errichtung aber bereits wieder. Nicht nur Rantum war damals von Kriegsvorbereitungen bzw -handlungen betroffen – viele Teile Sylts wurden für militärische Zwecke genutzt, wenngleich die Insel an Kriegshandlungen glücklicherweise nur wenig beteiligt war. In fast allen Ortschaften finden sich stumme Zeugen (vor allem ehemalige umgenutzte Kasernen) der beiden Weltkriege. Auf einem ehemals militärisch genutzten Areal nördlich des Ortskerns wurde 2007 das so genannte TUI-Dorfhotel mit circa 600 Betten in 159 Apartments eröffnet. Neben Spaziergängen über den fünf Kilometer langen Deich des Rantumbeckens, auf dem sich auch viele freilaufende Schäfchen tummeln, empfiehlt sich ein Besuch des kleinen Sportboothafens sowie des nahegelegenen Hafenkiosks.

Keitum – die grüne Oase Sylts

Keitum gilt heute auf Grund seiner zahlreichen Alleen und des alten Baumbestandes als die grüne Oase der Insel. Der Ort ist zudem bekannt für seine vielen, teils sehr alten Friesen- bzw. Kapitänshäuser, die oft von Steinmauern (den sog. Friesenwällen) umgeben sind. Im 17. und 18. Jahrhundert hatten sich zahlreiche wohlhabende Kapitäne in Keitum angesiedelt, so dass der Ort als einziger der sonst armen Insel gewissen Wohlstand aufwies. Dies änderte sich mit dem Einsetzen des Fremdenverkehrs im 19. Jahrhundert, wodurch auch die übrigen Ortschaften Sylts von Kurgästen und dem aufkommenden Tourismus profitierten.

Etwas abseits des Ortszentrums auf einer Erhebung thront die von Weitem sichtbare Kirche St. Severin, die ihren Namen nach Severin von Köln, einem Bischof aus dem 4. Jahrhundert erhielt. Da die Errichtung des Dachstuhles der Kirche auf das Jahr 1216 datiert werden konnte, handelt es sich bei dem Bauwerk um den ältesten Sakralbau Schleswig-Holsteins. Sehenswert ist in Keitum außerdem das Megalithgrab Harhoog, ein rechteckiges Hünengrab, errichtet um 3000 v. Chr:

Megalithgrab Harhoog

Einen interessanten Fakt vor allem für Weinkenner will ich an dieser Stelle nicht verschweigen: Das Weingut Balthasar Ress aus Hattenheim im Rheingau unterhält seit Juni 2009 auf einer Fläche von einem Hektar den nördlichsten Weinberg Deutschlands in Keitum.

Morsum und die übrigen Orte

Kommen wir zu den übrigen Orten, zu denen ich weniger viel zu erzählen vermag: Der kleine Ort Morsum liegt im Osten der Insel inmitten einer Heidelandschaft. Zu beiden Seiten des Ortes liegt der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Bei Morsum beginnt auch der Hindenburgdamm. Vom Morsumer Kliff aus hat man einen guten Blick auf den Damm zum Festland. Blickt man vom Strandufer zum Kliff hinauf, kann man viele nistende Schwalben beobachten.

Die ebenfalls sehr kleine Ortschaft Munkmarsch ist heute vor allem geprägt von einem großen Hotelkomplex am Hafengebiet. Dort befand sich lange Zeit das alte Fährhaus, welches 1869 vom Kapitän und Postschiffer Thomas Selmer als Posthalterei, Quartier und Aufenthaltsraum für die hier ankommenden und abfahrenden Passagiere errichtet worden war. Nachdem es bis in die 1980er Jahre als Ausflugsrestaurant genutzt wurde, wurde es nach langjährigem Leerstand Anfang der 2000er Jahre zu einem Luxushotel mit Restaurant umgebaut. Der angrenzende ehemalige Hafen wurde zu einer privaten Marina umnfunktioniert.

In Tinnum, das unmittelbar an Westerland angrenzt, befinden sich heute hauptsächlich Gewerbegebiete und diverse Lebensmittel-Discounter. Historisch bedeutsam für Tinnum ist die abgegangene acht Meter hohe kreisförmige Wallanlage mit einem Durchmesser von 120 m, die um Christi Geburt errichtet wurde. Heute ist außer einem Hügel jedoch leider nicht viel zu sehen. Neben dieser Wallanlage existierte neben der unter den Dünen vergrabenen Rantum-Burg noch die sog. Archsum-Burg, deren letzte Überreste bereits um 1860 entfernt wurden. Wie an anderen Orten auf Sylt finden sich auch um Achsum herum einige Gräberüberreste aus der Jungsteinzeit. Zwei Ganggräber. die sog. Hünenbetten, liegen im Wattenmeer und sind nur bei Ebbe zu sehen. Sie unterliegen der Zerströung und dem Wandel des Meeres, so dass ihr ursprüngliche Position und Anordnung nicht mehr rekonstruierbar sind.

Fazit und Abschied von der Insel

Mein Fazit nach den sieben erholsamen wie – aus fotografischer Sicht – erfolgreichen Tagen lautet: Die Insel ist zwar reich an Reichen, aber auch reich an endlosen Stränden, Dünen und tollen landschaftlichen Fotomotiven. Somit hat sie im Grunde zwei Gesichter: Das High-Society-Image auf der einen und das urige Inselfeeling mit unberühter Natur auf der anderen Seite. Und so bietet Sylt für jeden Gast etwas: Endlose Sandstrände zum Spazierengehen, Baden, Hunde ausführen, Drachen steigen lassen und Surfen, sowie darüber hinaus Saunen, Einkaufsmöglichkeiten, belebte Strandpromenanden, viele Restaurants und Cafés in jeder Preisklasse, Golfplätze und vieles mehr.

Generell muss ich gestehen, dass auf der Insel insgesamt viel weniger los war als im Vorfeld gedacht. Zwar war ich wie Eingangs erwähnt in der Vorsaison auf der Insel, aber beim Anblick der Blechlawine vor dem Sylt-Shuttle hatte ich überfüllte Straßen – ja gar Staus – auf der Insel befürchtet, aber hier lag ich völlig falsch. Mit Ausnahme gewisser Hotspots – etwa dem Parkplatz bei gehypten Örtlichkeiten wie der Sansibar, der Kupferkanne in Kampen oder dem Hauptparkplatz am Hafen von List – fand man überall schnell einen Stellplatz für sein Gefährt und auf den Straßen Sylts stand man – mit Ausnahme gewisser An- und Abreisezeiten – auch nie im Stau. Im Gegenteil: Oft war es wirklich erstaunlich leer. Zur Hauptsaison im Sommer wird dies vermutlich noch einmal anders sein, aber zumindest um Ostern herum kann ich keine Überfüllung vermelden.

Kontaktängste mit Reichen braucht man auch nicht zu haben, denn letztlich sind wir doch alle nur Menschen, und wer keine Probleme damit hat, von Luxuskarossen – mehrheitlich SUVs von Porsche, Mercedes und Co. sowie gelegentlich auch dem ein oder anderen Ferarri, Maserati, Jaguar oder Bentley – überholt zu werden, der kann auf Sylt viel erleben, unternehmen und jede Menge Spaß dabei haben. Zwar muss man die Insel ja nicht gleich komplett autofrei gestalten, dennoch wäre (auch wenn ich selbst ein Auto mit auf die Insel genommen habe) eine weitere Einschränkung des Verkehrs in manchen Ecken der Insel sicher eine sinnvolle Überlegung – gerade im Hinblick auf den Umweltschutz und für die Sicherheit von Fahrradfahrern und Fußgängern wäre dies ebenfalls ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Positiv anzumerken ist jedoch, dass sich auf der Insel der Umwelt zuliebe viel mit Elektromobilität befasst wird und etliche Leihwagen, Fahrräder und Roller bereits mit Elektromotor angeboten werden. Die gesamte Insel, vor allem aber die Strände und das Meer waren – zumindest optisch – in einem sehr sauberen Zustand.

Bei der Rückfahrt waren die Wartezeiten am Verladepunkt auf den Autozug marginal, allerdings fuhr ich auch recht früh morgens los. Noch während der Überfahrt zurück auf das Festland verschlechterte sich das Wetter deutlich, dunkle Wolken zogen auf und die Insel verabschiedete sich mit Starkregen und einem kleinen Gewitter.

Und so möchte ich meinen kleinen Bericht mit einem wohlbekannten (am besten ironisch verstandenen) Zitat der Ärzte aus ihrem Lied Westerland beenden:

Es ist zwar etwas teurer,
Dafür ist man unter sich.
Und ich weiß jeder Zweite hier
Ist genauso blöd wie ich…

Ohhh ich hab‘ solche Sehnsucht,
Ich verliere den Verstand!
Ich will wieder an die Nordsee, ohoho
Ich will zurück, ich will zurück,
Nach Westerland!

PS. Wo ich gerade schon beim Thema Musik bin, muss ich doch glatt noch ein Kompliment an den Radiosender Antenne Sylt loswerden: Der Sender spielt mehr Heavy Rock Classics und Metal-Songs als jeder andere Lokalsender, den ich bisher gehört habe! Besonders cool sind die 30minütigen Specials, bei denen mehrere Hits der jeweiligen Band am Stück gespielt werden! Danke dafür, ihr habt mir den Urlaub defintiiv versüßt!

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