Der zweite Tag des Metal For Mercy Benefizfestivals am 03.12.2011 begann genauso hochkarätig wie der Vortag. Warburg aus Paderborn enterten pünktlich um 18 Uhr die Planken.
Die Paderborner waren extra mit einem angemieteten Bus mitsamt eigenem kleinem Fanclub angereist. Kein Wunder, schließlich spielten Warburg den bisher am weitesten von der Heimatstadt entfernten Gig. Dementsprechend waren sie auch schon von Anfang an bedacht für ordentlich Stimmung zu sorgen.
Den Auftakt bildeten Dragonhunter und Return Of The Ice von der aktuellen CD First Strike. Sänger Jörn war erstaunt: „Hier im Ruhrgebiet ist mehr los als in der Kulturhauptstadt Paderborn” – allerdings bezog sich das wohl hauptsächlich auf das Leben in den Ruhrgebietsstädten im Allgemeinen, denn das Wittener Publikum zeigte sich noch äußerst verhalten.
Deshalb spielten Warburg als nächstes auch ein „Mitmachlied” und zwar Demons Of The Sea, das die Bezeichnung nicht umsonst verliehen bekam. Sänger Jörn teilte das Publikum nun in eine Back- und eine Steuerbordseite auf. Die Befürchtung, die Jungs würden ernsthaft versuchen eine Wall of Death anzufangen, erwies sich als unbegründet. Stattdessen sollten die zwei Schiffcrews lediglich den genialen Refrain im Wechsel singen: “Hoist the flag, hey, set the sail ho…” – hach, Piratenlieder sind einfach immer wieder toll!
Dies führte dann auch endlich zu einer recht guten Stimmung – trotz der frühen Stunde. Sänger Jörn war zufrieden: “Wir haben auch viel für die Karre gezahlt!” Bei Broken Sword von der 2005 erschienenen Scheibe Metal Over Armageddon griff Jörn kurzerhand zu einer Flöte, um das Stück damit ein wenig zu untermalen.
Zu guter Letzt folgte noch eine Aufklärung über die richtige (nämlich englische) Aussprache des Bandnamens, den man such als Metal-Fan auch definitiv merken sollte. Warburg haben Potential!
Sinful Earth wurden kurzfristig als Ersatz für Hellhound, die letztes Jahr schon einen guten Eindruck beim Metal For Mercy Festival 2010 hinterlassen hatten, dieses Jahr jedoch aufgrund von Bandinternen Schwierigkeiten absagen mussten, nach Witten geholt. Der Auftritt von Hellhound soll übrigens möglicherweise im nächsten Jahr nachgeholt werden.
Der Auftritt der Dark Symphonic Metal Band aus dem nahe gelegenen Bochum-Wattenscheid wirkte insgesamt etwas statisch – wobei die kleine Studiobühne natürlich auch nicht viel mehr Bewegungen zuließ. Das Symphonische ging leider unter dem aggressiven Gegröhle von Sänger Fabian etwas unter, obwohl Sinful Earth – im Vergleich zu so vielen anderen Metal-Bands, die lediglich Einspieler nutzen – einen Keyboarder dabei hatten.
Von der Abmischung aber einmal abgesehen, machte die Band mit Liedern wie Seraphim’s Breath, Hemlock, How The White Sky Took My Vision oder Breaking The Frame einen durchweg soliden Eindruck.
Access To Addiction aus dem Herzen des Ruhrgebiets knüpften im großen Saal nahtlos an Warburgs Vorhaben, die Fans für die folgenden Bands anzuheizen, an. Nach einem Intro und Every Night spielten Access To Addiction mit Bullet in My Head einen ganz schönen Stampfer, der förmlich zum Headbangen einlud.
Nach Never Let You Go, versuchte der Sänger die „Arbeitsverweigerer“ mit den Worten „Wer hat denn Sitzplätze gebucht?“ näher an die Bühne ran zu holen. Ein Teil der Besucher kam daraufhin auch tatsächlich näher.
Mit Hiding From Yourself präsentierten Access To Addiction im Anschluss einen brandneuen, etwas ruhigeren Song. Kommentar des Sängers nachdem die letzten Takte des Stücks verhallt waren: “Genug gekuschelt für heute. Jetzt gibt es wieder mehr Metal.”Ehrlich gesagt, war dies auch besser so.
Mit Escape und Animal als phänomenalem Abschluss inklusive reichlich Interaktion mit dem Publikum endete der Auftritt von Access To Addiction leider auch schon. Vielleicht schaffen sie ja den Hattrick und spielen im nächsten Jahr das dritte Mal in Folge auf dem Metal For Mercy Festival.
Diabolic Danceclub traten als Ersatz für Leviathan, deren Schlagzeuger sich bei einem Arbeitsunfall verletzt hatte, an. Auch wenn die drei teuflischen Tänzer ihren Stil als „Bluespunknroll“ beschreiben, so überwiegten doch mehr die ehrlichen, rudimentären Rock’n’roll-Elemente.
Insgesamt hatte der Sound etwas von früheren Motörhead-Scheiben. Mehr als einmal kam mir etwa die bekannte Ace Of Spades-Melodie in den Kopf. Mit einer rauen Stimme trug der Sänger die einfachen, aber mitreißenden Stücke vor – z.B. Let It Roll oder Smattering Systems, einem Song von der ersten Demo Thanx to the Godfathers of Rock´n´Roll aus dem Jahr 2007. Das neue Stück Fake Rock’n’Roll war zwar kurz aber dafür knackig.
Schnell wurden wieder die Bühnen gewechselt, um den Auftritt von Sober Truth aus Bonn nicht zu verpassen.
Die starteten gerade mit dem starken Opener Soulless, gefolgt von den ebenfalls guten und vor allem harten Songs Parasite, Future Lies und Dead City. Dem aufmerksamen Beobachter wird derweil nicht entgangen sein, dass den Jungs ein Gitarrist fehlte. Zwischen den Liedern erklärte Frontman Torsten: „Viel gibt‘s über uns nicht zu sagen. Unser vierter Mann steht in Köln im Stau. Alle mal Ausbuhen!”
Durch einen Fan aufgefordert ließ Torsten dann wider Erwarten auch noch eine Vorstellung über seine Person samt Name, Alter, Größe, Hobbys usw. folgen. So eine spontane Einlage kam natürlich gut an.
Während den Songs performte Bassist Tobi wild und ausgelassen und kompensierte so den fehelden Gitarristen. Einmal fiel er sogar von der Bühne, konnte sich aber sicher fangen. Passend dazu wurde als nächstes Stück Painless (“So halbakustisch wie möglich”) gespielt.
Sober Truth haben ihren Gitarristen augenscheinlich schmerzlich vermisst – so kommentierte Torsten während einer ruhigen Passage bei My Life etwa: “Hier käme ein geniales Gitarren-Solo” –, den Fans allerdings machte es absolut nichts aus, auf den Gitarristen zu verzichten. Warum auch? Der Sound von Sober Truth war immer noch astrein – vor allem die super Mischung aus Gesang und Shouts machte die Musik auch ohne Lead-Gitarre noch hörenswert!
Auf der Studiobühne waren derweil Whorizon aus Schwelm an der Reihe. Im Vergleich zum letzten Auftritt der vier Jungs vor ein paar Jahren zusammen mit Pretrash konnten sie sich enorm steigen. Die Lieder klangen deutlich reifer und ausgefeilter.
Während einer Stimmpause erzählte Sänger Daniel ein wenig aus dem Nähkästchen – ungefährer Wortlaut dazu: “Es kommen noch tolle Bands…zum Beispiel Orden Ogan und Brainstorm. Letztere hab ich schon live gesehen. Sind gut. Sonst wären sie ja auch nicht Headliner!” Wohl gesprochen.
Nach einem Song über Alkohol verzog ich mich wieder in den großen Saal, wo bald darauf Avaia mit ihrem Auftritt begannen.
Sobald Lost In Time zu Ende gespielt war, gab sich Frontman Roman erstaunt darüber “wie laut die Frauen schreien…“ und ergänzte: „Männer, das könnt ihr besser!“ Tatsächlich konnten sie das nach der Aufforderung zum lauten Schreien dann auch. Kein Wunder allerdings, denn mittlerweile hatte sich der Saal üppig gefüllt.
Nach Ghost Of Doom (?), dem Titeltrack des neuen Albums Ghost Of Your Victims, erklärte Roman, dass das Album aufgrund einer Änderung beim Vertrieb des Plattenlabels wohl ein halbes Jahr später als geplant erscheinen wird.
Anschließend kam ein langsamerer Titel für die Frauen – wie Roman betonte: „Da habt ihr Männer eh kein Bock drauf – geht aber auch nur 3.40.“ Direkt im Anschluss an den Song leitete Roman mit den Worten „Genug Schmusen – jetzt gibt‘s auf die Fresse!“ zu No More über.
Zur Musik lässt sich festhalten, dass regelmäßig Sampler zur Untermalung eingesetzt wurden. Die Passagen, in denen Frontman Roman und Frontfrau Kery zusammen sangen, gefielen mir am besten. Stellenweise erschien mir der Gesang auch etwas von den vielen Instrumenten übertönt zu werden. Insgesamt machten Avaia aber einen sehr guten Job, weshalb es auch reichlich Applaus zwischen den Liedern zu hören gab.
Mit einem Spendenaufruf, einem Fan-Foto und dem letzten Stück The Heart In Me näherte sich der kurzweilige Auftritt von Avaia auch schon dem Ende entgegen. Als erste Zugabe des Abends gab es noch Starlight oben drauf.
Das letzte Mal, dass ich Orden Ogan dieses Jahr gesehen hatte, war im März gewesen – den Auftritt beim Börsencrash Festival 2011 mussten die Arnsberger leider krankheitsbedingt absagen. Seitdem hat sich einiges getan bei Orden Ogan.
Als Opener ertönte wie immer To New Shores Of Sadness aus den Boxen. Fans werden jedoch schon beim Soundcheck gemerkt haben, dass wieder einmal Keyboarder Nils nicht dabei war. Außerdem hatten Orden Ogan zwei Neuzugänge zu melden. Nils Löffler – der u.a. auch schon beim letzten Auftritt in der Zeche Bochum als Ersatzmann eingesprungen war – wird von nun an die Saiten schwingen. Und auch an den Drums saß statt Ghnu ebenfalls ein neuer Mann, der erst das zweite Konzerte mit Orden Ogan absolvierte und nebenbei noch vom MP3-Player aus die Einspieler aktivieren musste. Ob Orden Ogan auch in Zukunft weiterhin ohne Keyboarder auftreten werden, dazu verlor Sänger Seeb kein Wort.
Im Anschluss an das zuletzt relativ selten gespielte The Lord Of The Flies folgte das typische „Fuck You Pussy“-Geplänkel, ehe es wie üblich mit Farewell weiterging. Endlich gab es eine Ankündigung, die vieles wieder gut machte: Das nächste Album soll im April erscheinen und wird von einer Welt aus Eis handeln. Dementsprechend hieß der erste neue präsentierte Song auch This World Of Ice.
Der Song kam augenblicklich gut an, weshalb mit The Things We Believe In direkt noch ein weiteres neues Stück gespielt wurde, bei dem die Fans mit Seeb im Refrain interagieren sollten. Endlich schienen die Besucher realisiert zu haben, dass sie nach Witten gepilgert waren, um für einen guten Zweck zu rocken: und die ersten Reihen hoben die Hände zum Klatschen in die Luft.
Nach einem kleinen Drumsolo läutete ein Einspieler den Publikumsliebling We Are Pirates ein. Wie nicht anders zu erwarten war: Der bisherige Höhepunkt des Abends. Das Eis schien gebrochen, so dass auch zwischen den Liedern endlich mal Fangesänge entstanden. Bei Pray For Glory gingen einzelne Feuerzeuge in die Höh, während die erste Reihe fleißig die Mähnen kreisen ließ.
Das uralte, aber noch nie aufgenommene The Mystic Symphony, welches im Anschluss gespielt wurde, wird ebenfalls auf dem nächsten Silberling zu finden sein. Damit war der Auftritt von Orden Ogan auch leider viel zu schnell vorbeigerauscht.
Zugaberufe setzten nur mit Verzögerung ein – daher gab es auch keine. Allerdings war die vorgesehen Zeit auch schon um. Etwas erstaunt war ich jedoch darüber, dass Orden Ogan gar keine Werbung für die kommenden Konzerte in der Nähe gemacht haben (16.12. beim Siege Of Düsseldorf III zusammen mit Adorned Brood und nur einen Tag später am 17.12. auf dem X-Mas Metal Meeting mit Gamma Ray, Stormwarrior und anderen in der Matrix).
Von Metallurgy, Hopelezz und Frigoris habe ich leider so gut wie nichts mitbekommen, da ich mich im Saal festgequatscht hatte.
Bevor Brainstorm, die Headliner des Samstagabends, loslegen durften, wurde Peter von den Ruhrtal-Engeln auf die Bühne geholt. Er dankte allen Menschen, die das Festival möglich gemacht hatten, den Bands und natürlich den Fans. Mit den Worten „Ich will nicht zu viel labern, ihr wollt gute Musik hören“ beendete er seine kurze Rede und Brainstorm eröffneten ihren Auftritt mit rund 15 minütiger Verspätung nach einem Intro mit Worlds Suffering.
Mit dem neuen Kracher In A Blink Of An Eye, der sehr positiv aufgenommen wurde, stellten Brainstorm ihr nunmehr neuntes Album, das den Titel On The Spur Of The Moment trägt, vor.
Sänger Andy B. Franck hatte augenscheinlich bemerkt, dass der Stimmung noch nicht vollends auf dem Siedepunkt angekommen war: “Ich weiß, es ist spät und ihr habt zwei anstrengende Tage hinter euch.” Dennoch war es noch recht gut besucht, auch wenn minimal weniger Leute als noch bei Orden Ogan vor der Bühne standen. Dafür waren sowohl die Stimmung als auch der Sound einen Tick besser.
Bei Shivas Tears ergab die Mischung aus Andys Gesang und den Background Vocals der beiden Gitarristen Torsten Ihlenfeld und Milan Loncaric einen klasse Gesamteindruck.
Mit Below The Line wurde schließlich der Opener vom neuen Album gespielt.
Für den nächsten Song hatte Andy dann eine schlüssige Überleitung in petto: „Ihr befindet euch in einer Halle, die aus Steinen errichtet wurde. Ihr macht sie zum Tempel!“ Damit war klar, dass nun Temple Of Stone, ebenfalls von der neuen Platte, gespielt werden würde.
Nachdem Brainstorm nun die neue CD ausgiebig bedient hatten, wurde es Zeit für etwas älteres Material.
Zuvor dankte Andy jedoch noch den Fans, die der eigentliche Grund dafür seien, dass das Album so geil geworden ist!
Mit den älteren Songs deckten Brainstorm die letzten vier Studioalben ab: zum Beispiel Shiver (von Memorial Roots, 2009), Doorway To Survive (von Soul Temptation, 2003), All Those Words (von Liquid Monster, 2005) oder Fire Walk With Me (von Downburst, 2008).
Zwischendurch konnte In These Walls vom aktuellen Silberling noch einmal Akzente setzen.
Das geniale How Do You Feel und die Zugabe Falling Spiral Down rundeten den tollen Konzertabend in der Werkstadt in Witten ab.
Bis zum nächsten Jahr!
Zum Bericht vom ersten Tag des Metal For Mercy Festivals 2011.